13. Eintrag
Mein liebes Tagebuch,
wie alt man wird, erkennt man am
besten, wenn man Kinder hat. Da wird einem knallhart vor Augen geführt, dass
sich die Welt schneller dreht, als man meint.
Die Zwillinge sind mittlerweile
bereits Teenager. Ich fühle mich alt.
Es ist fünfzehn Jahre her, dass die
Beiden auf die Welt kamen. Ich fühle mich furchtbar alt.
Penelope ist zu einer wunderschönen,
jungen Dame heran gewachsen. Das bleibt auch vor der Welt, halbstarker Jungs,
nicht verborgen. Das größte Interesse an meiner Kleinen hat allerdings, Kemal.
Netter Junge. Es wird gemunkelt, dass
er und seine Zwillingsbrüder, die unehelichen Kinder von Hugo sind. Ich finde
das doch okay. Warum daraus ein Geheimnis machen?
Kemal ist sechszehn
und lebt mit seinen Brüdern Juan und
Jamil und Hund Marley bei der Mutter.
Elena Harms ist wirklich eine
liebevolle und bewundernswerte Person. Sie hat drei halbwüchsige Jungs, ist
berufstätig und engagiert sich auch in der Schule.
Die Zwillinge Juan und Jamil haben es
faustdick hinter den Ohren.
Wobei Jamil eher der ruhigere von Beiden ist.
Während Juan Unruhe stiftet wohin er
kommt. Juan ist dennoch ein liebenswertes Kerlchen. Egal wie viel Blödsinn er
baut. Ich mag die Familie sehr gerne.
Ich mag auch Hugo gerne, deshalb verstehe
ich nicht, warum er nicht zu diesem Teil seiner Familie steht. Vielleicht ist
es Dirk, den er schützen will. Sein Sohn aus erster Ehe.
Ich denke, ich werde ihn einfach mal
bei Gelegenheit darauf ansprechen. Auch wenn Simon meint, dass uns diese Angelegenheit
nichts angeht.
Zurück zum Thema Kemal.
Kemal interessiert sich für Autos und
für unsere Tochter. Selbst Simon ist das aufgefallen.
Und Ruben natürlich auch. Was dann am
Anfang echt zu Problemen geführt hat. Aber dazu später mehr.
Irgendwann wurde mir dann klar, dass
auch Penelope an dem schüchternen Kemal Gefallen gefunden hatte.
Ich hatte nichts dagegen und Simon
brummelte nur was von: „…Herz brechen,
Kopf ab…“. Dann war die Sache für ihn auch in Ordnung.
So wurde aus den Beiden ein Paar.
Penelope hatte ihren ersten Freund.
(Erwähnte
ich schon, dass ich mich alt fühle?)
Die Beiden hingen wirklich wie die
Kletten an einander. Simon machte sich deshalb schon Sorgen, aber ich hatte
Penelope bereits aufgeklärt und deshalb war ich relativ entspannt. Sie würden
schon nichts Falsches machen. Ein paar
Restsorgen blieben allerdings auch bei mir.
Aber ich versuchte den beiden
Teenagern zu vertrauen.
Erst als es mir zu bunt wurde und
Penelope anfing die Schule zu vernachlässigen, schritt ich ein. Denn nicht nur
das die Beiden ständig zusammen hingen. Wenn sie sich mal nicht sahen,
telefonierten sie stundenlang miteinander.
Als Penelope dann auch noch ihre
Tanzstunden ausfallen ließ (die ihr immer viel bedeuteten), machte ich den
Beiden klar, dass das so nicht weiter gehen konnte. Ich hatte nichts dagegen,
dass sie zusammen waren, aber alles andere sollte dabei nicht zu kurz kommen.
Das sahen Beide ein und das sogar
ohne große Diskussionen.
Ich muss ehrlich gestehen, dass ich
mit mehr Zankereien gerechnet habe. Schließlich ist es gerade ein schwieriges
Alter. Aber es blieb entspannt. Vielleicht lag es daran, dass ich den Beiden
nicht rigoros den Kontakt verbot, sondern sie nur bat es etwas einzuschränken.
Wie auch immer, es hatte Erfolg. Penelope
kümmerte sich wieder mehr um die Schule. Ihre Noten wurden wieder besser. So
gut, dass sie schon Angebote für mehrere Universitäten bekam. Da war der Papa
ganz besonders stolz drauf.
Auch im Tanzen wurde Penelope immer
besser. Sie bekam sogar bei der Schulaufführung die Hauptrolle. Die Kinder
hatten ein Musical/Ballett vorbereitet.
East-Side-Story
Das kam ziemlich gut an. Die
Vorstellung war restlos ausgebucht, bis auf den letzten Platz drängten sich die
Eltern.
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Auch Ruben kam natürlich in die
Pubertät. Und so sehr sich die Zwillinge bis dahin in den meisten Dingen
ähnelten, nun waren sie grundverschieden. Während Penelope sich eher
extrovertiert entwickelte, schien Ruben nun eher schüchtern zu sein.
Die Mädchen nahmen eher weniger Notiz
von ihm. Was auch daran liegen könnte, das er lieber vor dem PC saß als
rauszugehen.
Nur kurze Zeit wurde es dann
problematisch, als er mitbekam, dass Kemal sich für seine Schwester
interessierte. Die Beiden rasselten daraufhin mächtig aneinander. Erst ein
ernstes Wort von Simon, kühlte die Gemüter ein wenig ab.
Schließlich wurde Ruben von etwas
anderem abgelenkt:
Mingh
Kurz nach den Ferien kam Mingh neu in
Rubens Klasse. Ein sehr hübsches, aber reserviertes Mädchen. Ruben hatte es
sofort erwischt.
Er war wie ausgewechselt. Ständig war
er in der Stadt, in der Hoffnung, er würde die kleine, zierliche Asiatin auch
außerhalb der Schule treffen. Sein PC verstaubte in der Zeit.
Seine Geduld sollte belohnt werden.
Denn auch Mingh war schüchtern und traute sich nicht Ruben anzusprechen. Erst
als sie sich allein in der Stadt trafen, kamen sich die Beiden näher.
Eine ganze Zeitlang trafen sie sich
und unternahmen etwas zusammen.
Bis zu diesem einen Abend.
Rubens Handy klingelte, Mingh. Völlig
tränenerstickt teilte sie Ruben mit, dass ihr Vater von der Verbindung Wind
bekomme habe. Sie musste den Kontakt abbrechen. Ruben war am Boden zerstört.
Auch Gespräche von unserer Seite, mit Minghs Vater, führten ins Leere. Der Mann
war nicht umzustimmen. Er war der Meinung, dass Mingh zu jung sei für einen
Freund. Was allerdings noch schlimmer für Ruben war, war die indirekte
Äußerung, er wäre nicht gut genug für Mingh.
Ruben ließ sich nach der Trennung von
Mingh ziemlich stark gehen. Er schlürfte zu Hause nur noch im Schlafanzug
umher. Mir tat das Herz weh, meinen Sohn so zu sehen. Selbst Gespräche
Mann-zu-Mann mit seinem Vater, brachten Ruben keinerlei Besserung.
So vergrub er sich wieder in seine Spiele
und wurde ziemlich verschlossen.
Wir kamen nicht mehr richtig an ihn
heran. Es machte mich unendlich traurig. Aber wir konnten ihm nicht helfen, da
musste er allein wieder rausfinden.
Und tatsächlich, es dauerte einige
Zeit, dann fing Ruben an sich mit Fußball abzulenken. Ob er jetzt so seinen
Frust raus ließ, kann ich nicht sagen. Aber er wirkte entspannter und
ausgeglichener. Selbst an Aktivitäten mit der Familie nahm er wieder teil. Und
schließlich konnte er wieder lachen.
Auch wenn es ihm wohl schwer fiel,
Mingh jeden Tag in der Schule zu sehen, er ließ sich nichts mehr anmerken. Er
stürzte sich regelrecht in seine Hausaufgaben und lernte jede freie Minute. Er
hatte sich in den Kopf gesetzt Arzt zu werden. Sogar die Fachrichtung war ihm
bereits sehr wichtig. Er wollte Notfallchirurg werden.
Vielleicht wollte er damit Minghs
Vater beweisen, dass er sehr wohl eine gute Partie geworden wäre oder er tat es
allein für sich. Ich weiß es nicht. Ich habe ihn nie darauf angesprochen. Es
dauerte jedenfalls nicht lange und er bekam auch einige Angebote von
namenhaften Universitäten.
Bald würde es so sein, dass unsere
Großen ausziehen würden um auf die Uni zu gehen. Allein der Gedanke und mir
wird flau im Magen. Auch wenn ich unheimlich stolz auf meine Kinder bin. Ruben
hat ein Stipendium an der T. Edison Universität bekommen, die bekannt dafür
ist, dass sie die besten Ärzte und Pharmazeuten hervor bringt. Und Penelope ist
an der Zidane Akademie für Sport und Tanz angenommen worden. Nur noch ein Jahr
bleibt uns, dann beginnt ein neuer Lebensabschnitt. Wir sind dann nur noch zu
dritt … äh viert, wenn man Mozart mitzählt. Ich hoffe, die Kinder erleben eine
schöne Zeit auf der Uni. Und lassen sich ab und an mal bei uns blicken. Ich
vermisse sie jetzt schon.
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